Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit

Einzeltäter Teil 3: Hanau – Filmgespräch am Campus Mühlheim

Am 19. Februar 2024 jährte sich zum vierten Mal der Anschlag von Hanau, bei dem der Täter aus rassistischen Motiven neun Menschen ermordete und im Anschluss seine Mutter und sich selbst tötete. Der Anschlag bot sich seitdem aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und in ganz unterschiedlichen Studienfächern als Gegenstand von Lehrveranstaltungen an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) an. Einsatzlehre, Kriminologie, Strafrecht, Berufsethik, Politikwissenschaften und Soziologie sind nur einige Beispiele. Eine Betrachtung fokussiert dabei zumeist auf Tat, Täter, Taktik oder Opfer.

Der im vergangenen Jahr mit dem Hessischen Film- und Kinopreis in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ ausgezeichnete Beitrag „Einzeltäter - Teil 3: Hanau“ widmet sich einer weiteren, für viele noch wenig beleuchteten Perspektive und anderen Menschen: Menschen, die durch den Anschlag Angehörige verloren haben. Nach dem Anschlag halten Hinterbliebene, Eltern, Geschwister und Freunde der Opfer zusammen und versuchen gemeinsam mit den Folgen der Tat umzugehen. Sie organisieren sich politisch, kämpfen um die Aufklärung der Tat und gegen Rassismus. Und sie fordern Konsequenzen bei Behörden, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen. So entsteht ein neues „Wir“-Gefühl bei den Menschen, insbesondere aus Hanau-Kesselstadt, die weiterhin in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Vater des Täters leben. Der Film schließt zudem die Trilogie des Regisseurs Julian Vogel ab, die sich eben diesen Menschen widmet, die bei den Anschlägen von München 2016, Halle 2019 und eben Hanau 2020 Angehörige verloren haben – drei Anschläge von individuell radikalisierten und einzeln handelnden Rechtsterroristen: Vermeintliche „Einzeltäter“, die sich scheinbar ohne in klassisch extremistische Strukturen eingebunden zu sein, im Internet radikalisieren und im öffentlichen Raum plötzlich zuschlagen.

Auf dem Bild sind die Teilnehmenden der Lehrveranstaltung zum rassistischen Anschlag in Hanau zu sehen

Vor diesem Hintergrund luden Peter Schmidt und Kathrin Hartmann am 29. Februar 2024 zu einem hochschulöffentlichen Filmgespräch ein, bei dem – neben dem gezeigten Film – der Austausch der Teilnehmenden mit dem Regisseur des Films und Ajla Kühn, Schwester des am 19.02.2020 ermordeten Hamza Kurtovic, im Mittelpunkt stehen sollte. Und die mehr als 100 anwesenden Gäste, davon – neben Lehr- und Verwaltungspersonal der HöMS etwa zwei Drittel Studierende – nutzten diese Gelegenheit ausgiebig: Nach einigen wenigen Impulsfragen durch die beiden Moderierenden, entspann sich ein bisweilen sehr tiefgehender, von großer Empathie und reflektiertem Interesse getragener Dialog zwischen Publikum und Podium, weit über die Blickwinkel des Films hinaus. Die Tatsache, dass zahlreiche der anwesenden Studierenden selbst in Hanau bereits ein Praktikum absolviert hatten, nach dem Studium dort Dienst versehen könnten oder sogar in Hanau oder näherer Umgebung wohnen, rückt das Anschlagsgeschehen und das Leid der Hinterbliebenen näher an die Studierenden heran. Die Betroffenheit, die der Film erzeugte, drückte sich aber ebenso in den Fragen aus dem Kreis der anderen Teilnehmenden aus. Die für den Austausch vorgesehene Zeit reicht bei weitem nicht aus, um alle zu hören, die sich äußern möchten, und alle Fragen zu diskutieren, die die Anwesenden auch in den nächsten Tagen noch umtreiben.

Inhalt, Verlauf und Resonanz zum Filmgespräch verdeutlichen, dass der Perspektivwechsel eine gelungene Chance bietet, sich auch den „klassisch polizeilichen“ Themenfeldern rund um den Anschlag von Hanau zu öffnen und die dort im Vordergrund stehenden Aspekte vertieft zu betrachten.

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