Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen, dass sich Antisemitismus in vielfältiger Weise nahezu durch alle Schichten und Altersgruppen unserer Gesellschaft zieht. Das Spektrum reicht von unterschwelligen judenfeindlichen Bemerkungen bis hin zu offener Hetze, Gewalt gegen Jüdinnen und Juden und Angriffen auf jüdische Institutionen. Insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie TikTok werden alte Vorurteile wiederbelebt und antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet. Die Mobilisierungskraft, Aggressivität und Gewaltbereitschaft, die von antisemitischen Einzelpersonen und Gruppen ausgehen, stellt eine akute Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland dar.
Polizistinnen und Polizisten sind in ihrem Berufsalltag in vielfältiger Weise mit Antisemitismus konfrontiert. Ihnen wird der Schutz von Jüdinnen und Juden anvertraut, sie verfolgen antisemitische Straftaten und müssen antisemitische Aussagen, Parolen, Bilder und Memes als solche einordnen. Sie sind aufgerufen, zu intervenieren. Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind aktuell als Themenbereiche für hessische Polizeibehörden sehr präsent.
Nach den Hochschultagen zu allgemeinen Diskriminierungsstrukturen und Rassismus 2019 und 2022 führte die Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) auch in diesem Jahr einen Hochschultag durch und folgt damit einer mittlerweile zur Tradition gewordenen inhaltlichen und persönlichen Auseinandersetzung mit den Themen aus dem Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. In Kooperation mit der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Schader-Stiftung, dem Polizeipräsidium Südhessen und mit einer Förderung der Heinrich-Mörtl-Stiftung führte die Hochschule am 22. November 2023 im Schader-Forum in Darmstadt den diesjährigen Hochschultag durch und legte den Schwerpunkt auf Antisemitismus.
Cornelia Rotter, Leiterin der Hochschuldidaktik und Sabena Donath, Bildungsdirektorin des Zentralrats der Juden führten gemeinsam durch die Veranstaltung.
Im ersten Teil der Veranstaltung sensibilisierte Sabena Donath für die jüdischen Perspektive mit einem Impuls - „Jüdische Gegenwart(en) in Deutschland“ und bot den Teilnehmenden damit einen tiefen Einblick in die Lebenswirklichkeit von Jüdinnen und Juden, die sich deutlich von der Wirklichkeit vieler im Saal unterscheidet.
Der anschließende Keynotespeaker Jakob Baier, Politikwissenschaftler der Universität Bielefeld, führte Studierende des Fachbereichs Polizei, Praxisausbilderinnen und Praxisausbilder des Polizeipräsidiums Südhessen, Lehrende sowie Interessierte aus der Hochschule und der Zivilgesellschaft in das Thema „Antisemitismus im 21. Jahrhundert - Alte Mythen im neuen Gewand“ ein, zeigte die Aktualität dieses Phänomens auf und beantwortete im Anschluss die Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer.
Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmenden in sechs Workshops mit den Erscheinungsformen des Antisemitismus kritisch auseinandersetzen und im weiteren Verlauf nicht nur konkretes Wissen darüber erlangen, sondern auch die Wirkung auf die Betroffenen reflektieren und Einblick in die Präventionsarbeit sowie praktische Handlungsstrategien erhalten.
Die Workshops wurden von Fachleuten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Polizei geleitet. Dabei wurden unterschiedliche Perspektiven aus Theorie und Praxis, Beschützenden und Schutzsuchenden, Studierenden und Lehrenden in die Diskussion eingebunden.