Hochschultag zum Thema: „Polizeialltag und Antisemitismus“ - Begrüßung durch den Präsident der HöMS, Dr. Walter Seubert

Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit

HöMS veranstaltet Hochschultag zum Thema: „Polizeialltag und Antisemitismus“

Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen, dass sich Antisemitismus in vielfältiger Weise nahezu durch alle Schichten und Altersgruppen unserer Gesellschaft zieht. Das Spektrum reicht von unterschwelligen judenfeindlichen Bemerkungen bis hin zu offener Hetze, Gewalt gegen Jüdinnen und Juden und Angriffen auf jüdische Institutionen. Insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie TikTok werden alte Vorurteile wiederbelebt und antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet. Die Mobilisierungskraft, Aggressivität und Gewaltbereitschaft, die von antisemitischen Einzelpersonen und Gruppen ausgehen, stellt eine akute Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland dar.

Polizistinnen und Polizisten sind in ihrem Berufsalltag in vielfältiger Weise mit Antisemitismus konfrontiert. Ihnen wird der Schutz von Jüdinnen und Juden anvertraut, sie verfolgen antisemitische Straftaten und müssen antisemitische Aussagen, Parolen, Bilder und Memes als solche einordnen. Sie sind aufgerufen, zu intervenieren. Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind aktuell als Themenbereiche für hessische Polizeibehörden sehr präsent.

Nach den Hochschultagen zu allgemeinen Diskriminierungsstrukturen und Rassismus 2019 und 2022 führte die Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) auch in diesem Jahr einen Hochschultag durch und folgt damit einer mittlerweile zur Tradition gewordenen inhaltlichen und persönlichen Auseinandersetzung mit den Themen aus dem Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. In Kooperation mit der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Schader-Stiftung, dem Polizeipräsidium Südhessen und mit einer Förderung der Heinrich-Mörtl-Stiftung führte die Hochschule am 22. November 2023 im Schader-Forum in Darmstadt den diesjährigen Hochschultag durch und legte den Schwerpunkt auf Antisemitismus.

Cornelia Rotter, Leiterin der Hochschuldidaktik und Sabena Donath, Bildungsdirektorin des Zentralrats der Juden führten gemeinsam durch die Veranstaltung.

Im ersten Teil der Veranstaltung sensibilisierte Sabena Donath für die jüdischen Perspektive mit einem Impuls - „Jüdische Gegenwart(en) in Deutschland“ und bot den Teilnehmenden damit einen tiefen Einblick in die Lebenswirklichkeit von Jüdinnen und Juden, die sich deutlich von der Wirklichkeit vieler im Saal unterscheidet.

Der anschließende Keynotespeaker Jakob Baier, Politikwissenschaftler der Universität Bielefeld, führte Studierende des Fachbereichs Polizei, Praxisausbilderinnen und Praxisausbilder des Polizeipräsidiums Südhessen, Lehrende sowie Interessierte aus der Hochschule und der Zivilgesellschaft in das Thema „Antisemitismus im 21. Jahrhundert -  Alte Mythen im neuen Gewand“ ein, zeigte die Aktualität dieses Phänomens auf und beantwortete im Anschluss die Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer.

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmenden in sechs Workshops mit den Erscheinungsformen des Antisemitismus kritisch auseinandersetzen und im weiteren Verlauf nicht nur konkretes Wissen darüber erlangen, sondern auch die Wirkung auf die Betroffenen reflektieren und Einblick in die Präventionsarbeit sowie praktische Handlungsstrategien erhalten.

Die Workshops wurden von Fachleuten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Polizei geleitet. Dabei wurden unterschiedliche Perspektiven aus Theorie und Praxis, Beschützenden und Schutzsuchenden, Studierenden und Lehrenden in die Diskussion eingebunden.

Hochschultag zum Thema: „Polizeialltag und Antisemitismus“ - Podiumsdiskussion

Zum Abschluss des Hochschultages fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Leben hinter Panzerglas!? Jüdisch sein in Deutschland heute“ mit folgenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt: Sabena Donath, Direktorin der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, Jana-Andrea Frommer, Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Verbundprojekt EMPATHIA3Öffnet sich in einem neuen Fenster, Daniel Neumann, Zentralrat der Juden in Deutschland/Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen, Katharina Nocun, Publizistin, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin, Heiko Sauer, Leiter der AG PRIOX der Polizei Bayern, Jewgenij Wassermann, Polizeihauptkommissar und Trainer für interkulturelle Sozialkompetenz, Frankfurt am Main. Moderiert wurde die Podiumdiskusion von Hanning Voigts, Journalist und Autor, Korrespondent der Frankfurter Rundschau im Hessischen Landtag.

Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Institutionen und Behörden konnten aus unterschiedlichen Perspektiven zum Diskussionsthema Stellung nehmen. Positiv hervorgehoben wurden die klare Positionierung von Politikerinnen und Politikern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gegen antisemitische Angriffe sowie die enge Zusammenarbeit der hessischen Polizei mit den jüdischen Gemeinden in Hessen. Sabena Donath, Direktorin der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, verdeutlicht: „Institutionelles jüdisches Leben findet in der Regel hinter Panzerglas statt. Das heißt, Kinder und Jugendliche, die einen jüdischen Kindergarten oder eine jüdische Schule besuchen, sind Sicherheitsmaßnahmen vor und hinter der Eingangstür gewohnt. Polizei und jüdischer Alltag sind also untrennbar miteinander verbunden; umso wichtiger ist es, mehr voneinander zu wissen“.

Mit Blick auf den Bildungsbereich stellte sich die Frage, was anders als bisher gemacht werden müsse, um Antisemitismus wirksam zu bekämpfen. Sabena Donath forderte eine fächerübergreifende Lehre unter Einbeziehung jüdischer Perspektiven. Wo Kontakte entstünden, entwickle sich Empathie und das Interesse an jüdischem Leben sei heute groß. Dies zeigen auch die Ergebnisse einer Interviewstudie mit Polizistinnen und Polizisten, die im Rahmen des Verbundprojektes EMPATHIA3Öffnet sich in einem neuen Fenster in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Jana-Andrea Frommer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Verbundprojekt, berichtete, dass viele Befragte einen Wissensbedarf über antisemitische Codes und Chiffren äußern und insbesondere bei der Erkennung von israelbezogenem Antisemitismus große Unsicherheiten bestehen. Gleichzeitig wird ein großes Interesse an jüdischem Leben heute signalisiert. Die bisherigen Erfahrungen im Verbundprojekt zeigen zudem, dass es in Bildungsangeboten zentral ist, die Reflexionsfähigkeit und damit auch die Professionalität zu stärken, indem sich die Beteiligten ihrer Werte und ihres Handelns bewusstwerden.

Sabena Donath schloss mit einem Angebot an die Zuhörerinnen und Zuhörer: Die neu entstehende Jüdische Akademie in Frankfurt biete die Möglichkeit, jüdische Perspektiven kennen zu lernen: „Diese Einladung haben Sie!“

Der diesjährige Hochschultag richtete den Blick auf unterschiedliche Facetten des Antisemitismus und bot Möglichkeiten der kritischen Auseinandersetzung. Gemeinsam wurde der Wissenshorizont erweitert, persönlichem Austausch Raum gegeben, der polizeiliche Umgang mit Antisemitismus beleuchtet und adäquate Reaktionsmöglichkeiten diskutiert. Die Veranstaltung diente dem intensiven Austausch mit Studierenden des Fachbereiches Polizei, Lehrenden und Angehörigen der HöMS, Praxisausbilderinnen und Praxisausbildern sowie Interessierten aus anderen Behörden und der Zivilgesellschaft. Sie bot für alle Beteiligten und Teilnehmenden eine sehr gute Plattform, um über aktuelle Problemstellungen zu diskutieren, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen zu suchen und sich mit diesen zu vernetzen.

In der Rolle der Polizeibeamtin oder des Polizeibeamten ist es unverzichtbar, sich mit der eigenen Haltung und Wahrnehmung von Antisemitismus im Berufsalltag auseinanderzusetzen, sich regelmäßig zu reflektieren sowie einen Perspektivwechsel vorzunehmen.

Der Hochschultag des Fachbereiches Polizei hat dies nochmal deutlich gemacht. Durch die HöMS und die hessische Polizei werden in den Bachelorstudiengängen und der das Berufsleben begleitenden Fort- und Weiterbildung der Wichtigkeit des Themas entsprechend auch zukünftig Zeichen gesetzt und die Auseinandersetzungen intensiviert.

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