Auf Einladung der Jewish Association (EJA) nahmen der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen (LfV), Bernd Neumann, und der Präsident der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS), Dr. Walter Seubert, an einem Symposium der EJA Delegation to Auschwitz 2025 mit dem Titel „Future Proofing Against Hate and Incitement“ teil. Dabei beteiligten sie sich an dem Panel „Identifying, Isolation and Prosecuting hate – Case study, Hessen“.
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Die HöMS ist die zentrale Hochschule des Landes Hessen für Polizei und Verwaltung und bündelt das Studium, die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie für die Nachwuchsgewinnung und polizeipsychologische Dienstleistungen unter einem Dach. Das Besondere ist: die HöMS ist eine staatliche Hochschule, die zugleich polizeibehördliche Aufgaben wahrnimmt und außerdem für die Fortbildung aller Beschäftigten der hessischen Landesverwaltung zuständig ist. Das Studium findet an den Fachbereichen Polizei und Verwaltung statt; über letzteren ist die HöMS eng mit der kommunalen Familie in Hessen verbunden. Ihre Aufgaben erfüllt und gewährleistet die HöMS an vier Standorten in Gießen, Kassel, Mühlheim und Wiesbaden.
Polizistinnen und Polizisten sind in ihrem Berufsalltag in vielfältiger Weise mit Antisemitismus konfrontiert. Ihnen wird der Schutz von Jüdinnen und Juden anvertraut, sie verfolgen antisemitische Straftaten und müssen antisemitische Aussagen, Parolen, Bilder und Memes als solche einordnen. Sie sind aufgerufen, zu intervenieren. Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind aktuell als Themenbereiche für hessische Polizeibehörden sehr präsent.
„Ambiguitätstoleranz zu fördern ist ein zentrales Anliegen unserer Hochschule. Die Erscheinungsformen der Judenfeindlichkeit sind unterschiedlich und gegenwärtig. Unsere Hochschule wendet sich entschieden gegen Antisemitismus und Diskriminierung in jeglicher Form. Unser Auftrag ist es, federführend bei der Entwicklung präventiver Ansätze und Maßnahmen zur politischen Bildung und demokratischer Resilienz zu sein. Wir bieten Bildungsangebote in den wichtigen Themenfeldern Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt an. Die Studierenden sollen frühzeitig extremistische Einstellungen erkennen lernen sowie eine kollektive Kultur des Hinsehens entwickeln, um mit ihrem Verhalten für die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates sowie für eine demokratische Zivilgesellschaft aktiv einzutreten. Dies erfordert einen ganzheitlichen Ansatz in der politischen Bildung und Begleitung“, so Dr. Seubert.
Die Stärkung demokratischer Werte, interkultureller Kompetenzen und die stetige Sensibilisierung für das Thema Extremismus sind feste Bestandteile der HöMS. Der Hochschuldidaktische Dienst bietet darüber hinaus viele Angebote für die Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden an, die insbesondere die Stärkung der demokratischen Resilienz zum Ziel haben. Ein wichtiger Schritt zur Erweiterung von Wissen und interkultureller Kompetenz ist die wegweisende Kooperationsvereinbarung zwischen der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden sowie die enge Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden der jüdischen Gemeinde in Gießen und der Hochschule. Ziel ist es, Angehörigen der hessischen Polizei ein vertieftes Verständnis für das jüdische Leben in Hessen zu vermitteln und Wissen über Antisemitismus sowie gesellschaftliche Vielfalt zu erweitern. Dies stärkt ihre Handlungssicherheit und fördert eine reflektierte Perspektive im Berufsalltag.
Die jüngsten Entwicklungen, auch in Hessen, verdeutlichen, dass sich Antisemitismus in vielfältiger Weise nahezu durch alle Schichten und Altersgruppen unserer Gesellschaft zieht. Das Spektrum reicht von unterschwelligen judenfeindlichen Bemerkungen bis hin zu offener Hetze, Gewalt gegen Jüdinnen und Juden und Angriffen auf jüdische Institutionen.
Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) und ist somit ein wichtiges Instrument der wehrhaften Demokratie. Es nimmt hierbei die wichtige Funktion eines „Frühwarnsystems“ ein, welches extremistische Bestrebungen frühzeitig detektiert und neben Bedarfsträgern auch die Öffentlichkeit informiert.
„Als Sicherheitsbehörde sehen wir tagtäglich, dass Antisemitismus kein Relikt der Geschichte ist, sondern ein fortdauerndes Risiko für unsere Demokratie,“ so Bernd Neumann. „Der Hass auf Jüdinnen und Juden, den wir überwunden glaubten, zeigt sich heute in neuen Formen – auf der Straße, im Netz, auf Schulhöfen, in der Mitte der Gesellschaft. Wir erleben insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 eine beunruhigende Normalisierung antisemitischer Parolen und Denkmuster. Antisemitismus tritt offener, unverhohlener und vernetzter auf als zuvor; vor allem in seiner anti-israelischen Variante. Diesem Hass müssen wir entschieden entgegentreten und dafür sorgen, dass jüdisches Leben in Europa sicher, sichtbar und selbstverständlich bleibt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen trägt dazu bei – durch seine nachrichtendienstliche Arbeit, aber ebenso durch Aufklärung und Prävention.“
Das LfV Hessen hat mit einer eigenen Kampagne unter der Überschrift „Kein Raum für Antisemitismus“ auf diese Entwicklungen reagiert. Vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost und der zum Teil antisemitischen Proteste in Hessen wurden die langjährig etablierten Präventionsmaßnahmen für verschiedene Bedarfsträger ergänzt und verstärkt. Ebenso hat die Phänomenbereichsübergreifende wissenschaftliche Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) des LfV Hessen eine umfassende Untersuchung unter dem Titel „Antisemitismus als Querschnittsphänomen im hessischen Protestgeschehen nach dem 7. Oktober 2023“ durchgeführt. Weiterhin bietet die PAAF Vorträge und Workshops unter anderem für den Kultus- und Wissenschaftsbereich, für Polizei, Justiz und andere Behörden, aber auch für zivilgesellschaftliche Organisationen an. Inhaltlich zielen die Maßnahmen vor allem auf eine Auseinandersetzung mit den Ausprägungen eines israelbezogenen Antisemitismus – der vorherrschenden Erscheinungsform des Judenhasses nach dem 7. Oktober 2023. Eine weitere Säule der Antisemitismusprävention des LfV sind der Austausch und die Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern des jüdischen Lebens in Hessen. In gemeinsam mit dem LfV durchgeführten Veranstaltungen werden die Lebensrealitäten der jüdischen Gemeinschaften thematisiert und damit die Perspektive der von antisemitischer Gewalt Betroffenen stärker sichtbar gemacht.